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Interview: „Wiederkehrende Prüfung (WKP) – warum sie unverzichtbar ist und wie sie abläuft“

21.11.2025

Die Wiederkehrende Prüfung (WKP) ist für Betreiber von Windenergieanlagen Pflicht – und weit mehr als eine weitere Sichtkontrolle. Jörg-Rasmus Otto, Leiter der Inspektionsstelle der ENERTRAG Betrieb GmbH, erklärt, worum es geht, was genau geprüft wird und wie Betreiber sich optimal vorbereiten.

Frage: Herr Otto, auf welcher fachlichen Grundlage basiert dieser Artikel zur WKP?
Antwort: Alle Aussagen stützen sich auf zwei zentrale Regelwerke: die Richtlinie für die Zertifizierung von Windenergieanlagen „Wiederkehrende Prüfung“ (Ausgabe 2010) sowie die DIBt-Mitteilung „Richtlinie für Windenergieanlagen“ (10-2012, korrigierte Fassung 03-2015). Diese bilden den rechtlich-technischen Rahmen, an dem sich Prüfumfang und Methoden orientieren.

Frage: Was ist die Wiederkehrende Prüfung in einem Satz?
Antwort: Die WKP ist eine verbindliche Betreiberpflicht, bei der unabhängige Sachverständige die Standsicherheit und Integrität der Windenergieanlage prüfen – ergänzend zu Wartung und Inspektion.

Frage: Warum reicht Wartung oder eine normale Inspektion dafür nicht aus?
Antwort: Wartung und Inspektion sind wichtig, aber sie sind nicht unabhängig – meist übernimmt sie der Servicepartner. Die WKP kommt als neutraler Sicherheits-Check hinzu. Man kann sich das wie beim Flugzeug vorstellen: Der tägliche Check durch die Crew ist nötig, aber regelmäßige unabhängige Lufttüchtigkeitsprüfungen sind trotzdem Pflicht.

Frage: Welches Ziel verfolgt die WKP genau?
Antwort: Wir bewerten die Standsicherheit der gesamten Anlage – also Turm, Fundament, Maschine und Rotorblätter – und prüfen, ob Abweichungen vom Soll-Zustand vorliegen. Der Fokus liegt darauf, Risiken frühzeitig zu erkennen, bevor sie zu Sicherheitsproblemen oder ungeplanten Stillständen führen.

Frage: Wie werden die Prüfintervalle festgelegt?
Antwort: Sie ergeben sich in der Regel aus Genehmigung, Typenprüfung, Prüfbescheid und dem individuellen Anlagenzustand. Das heißt: Nicht nur ein starrer Kalender zählt, sondern auch, wie sich die konkrete Anlage über die Jahre entwickelt hat.

Prüfumfang: Was wird geprüft?

Frage: Welche Baugruppen stehen bei der WKP im Mittelpunkt?
Antwort: Wir prüfen drei große Bereiche:

  1. Tragstruktur – Turm und Fundament
    Hier geht es um Fundament inklusive Keller, Ankerkorb, Abdichtung, den Turm (Stahl, Gitter oder Spannbeton), Fugen und Vorspannsysteme sowie den äußeren Blitzschutz. Bewertungsrelevant sind z. B. Risse, Klaffungen, Korrosion, Hohlstellen oder Schiefstellungen.
  2. Maschine
    Wir prüfen u. a. Azimutlager und -antriebe, Bremsen, Maschinenträger, Schraubenverbindungen/Flansche, Triebstrang, Steuerung und Sicherheitssysteme. Sicherheitsfunktionen wie Überdrehzahl- und Schwingungsmonitoring müssen nachweislich funktionieren.
  3. Rotorblätter
    Hier schauen wir auf äußere und innere Strukturen, Verklebungen, Delaminationen, Risse, Blitzschutz, Schraubverbindungen und ggf. Tip-Mechaniken.

Frage: Wo liegen typische Auffälligkeiten in der Praxis?
Antwort: Häufig sind es beginnende Materialermüdung, schleichende Schäden an Verbindungspunkten oder Alterungseffekte am Blitzschutz. Und: Manche Anlagen haben serientypische Schwachstellen, die wir gezielt in den Blick nehmen.

Vorbereitung: Welche Unterlagen braucht es?

Frage: Was müssen Betreiber vor der WKP zwingend bereitstellen?
Antwort: Eine vollständige Dokumentation ist entscheidend. Dazu gehören unter anderem:

  • Genehmigung und Auflagen
  • Typenprüfung/Prüfbescheid inkl. Auflagen
  • Statische Nachweise, Zeichnungen, standortbezogene Nachweise
  • Inbetriebnahmeprotokoll
  • Wartungsdokumentation und Lebenslaufakte/Bauwerksbuch
  • Blitzschutzkonzept und Prüfprotokolle
  • Nachweise zu Änderungen/Instandsetzungen
  • Wartungsnachweise der letzten 4–5 Jahre
  • Drehmomentkontrollen gemäß Wartungspflichtenheft
  • Berichte seit der letzten WKP
  • Parametrierung und aktuelle Grenzwerte

Frage: Warum ist die Dokumentation so wichtig?
Antwort: Weil sie die Geschichte der Anlage erzählt. Ohne Historie sieht man nur ein Foto – mit Historie versteht man den Film. Das beeinflusst die Bewertung enorm.

Ablauf: Wie wird geprüft?

Frage: Wie stellen Sie sicher, dass die WKP systematisch abläuft?
Antwort: Auf Basis der GL-Richtlinie und der DIBt-Vorgaben erstellen wir einen Inspektionsplan, der in unserer Inspektions-App je WEA-Typ hinterlegt ist. Damit führen unsere Mitarbeitenden die Prüfung Schritt für Schritt durch – inklusive der Berücksichtigung genehmigungs- und typenprüfspezifischer Auflagen.

Frage: Was passiert, wenn Bereiche nicht zugänglich oder nicht prüfbar sind?
Antwort: Dann müssen sie über geeignete Ersatznachweise bewertet werden – etwa belastbare Dokumente, Messprotokolle oder andere nachvollziehbare Belege.

Frage: Können Grenzwerte und Steuerungsparameter auch dokumentenbasiert geprüft werden?
Antwort: Ja. Entweder vor Ort oder durch verlässliche Unterlagen. Wichtig ist, dass die Nachweise belastbar und prüffähig sind.

Ergebnisse, Maßnahmen, Konsequenzen

Frage: Was enthält der Prüfbericht am Ende?
Antwort: Er umfasst Feststellungen, Bewertungen, Maßnahmenempfehlungen mit Fristen, den nächsten Prüftermin, Angaben zu Methoden und eine Gesamtbewertung. Zusätzlich kann es eine Prüfbescheinigung für Behörden geben.

Frage: Welche Pflichten ergeben sich daraus für Betreiber?
Antwort: Maßnahmen müssen fristgerecht umgesetzt werden. Wenn eine Abweichung die Standsicherheit gefährdet, muss der Betrieb eingestellt werden, bis eine Freigabe durch den Sachverständigen erfolgt.

Praxisdetail: Risse im Beton

Frage: Gibt es konkrete Grenzwerte, die Betreiber kennen sollten?
Antwort: Ja, für Betonrisse gilt im Regelfall:

  • max. 0,3 mm in erdüberdeckten Bereichen
  • max. 0,2 mm im Sockelbereich
    Maßgeblich sind aber immer die DIBt-Vorgaben und die Typenprüfung. Klaffungen oder Hohlstellen sind grundsätzlich nicht zulässig.

FAQ – kurz beantwortet

Frage: Wie oft ist eine WKP erforderlich?
Antwort: Das Intervall richtet sich nach DIBt, Genehmigung, Prüfbescheid, Typenprüfung und Anlagenzustand.

Frage: Reicht Wartung statt WKP?
Antwort: Nein. Wartung ist nicht gleich WKP. Die WKP muss unabhängig und unparteilich erfolgen.

Frage: Was passiert bei Abweichungen?
Antwort: Es werden Maßnahmen mit Fristen festgelegt. Bei Gefahr für die Standsicherheit wird die Anlage bis zur Behebung außer Betrieb genommen.

Frage: Sind Drohnen für die WKP zulässig?
Antwort: Ja – besonders für Rotorblätter und Turmaußenflächen ist der Drohneneinsatz sehr sinnvoll.

Wer darf eine WKP durchführen?

Frage: Welche Dienstleister sind dafür qualifiziert?
Antwort: Akkreditierte Inspektionsstellen nach DIN EN ISO/IEC 17020:2012, DIN EN ISO 17065 oder gleichwertige unabhängige Sachverständige.

Frage: Was ist der Mehrwert spezialisierter externer Prüfer?
Antwort: Sie bringen Erfahrung mit typen- und serienbezogenen Schwachstellen mit. Das ist entscheidend, weil systemische Auffälligkeiten besondere Beachtung brauchen – ggf. mit erweitertem Prüfumfang oder Monitoring. Betreiber profitieren, weil Serienfehler früh erkannt und kostspielige Ausfälle vermieden werden.

Frage: Unterstützen Dienstleister auch über die eigentliche Prüfung hinaus?
Antwort: Viele ja – etwa durch vorgelagerte Dokumentenprüfungen, Sichtkontrollen während Wartungen oder Koordination mit Service-Teams, um Bauteile zugänglich zu machen. Wichtig bleibt: Die WKP selbst muss organisatorisch unabhängig von Wartung und Service sein. Diese klare Trennung bieten wir bei ENERTRAG Betrieb bewusst an.

Frage: Und wie sieht es mit Blitzschutz-Prüfungen aus?
Antwort: Blitzschutz gehört verpflichtend zur WKP. Viele Dienstleister haben dafür spezielle Messmittel und dokumentierte Verfahren, gerade bei Rotorblättern mit integrierten Ableitern und Rezeptoren.

Frage: Ihr Fazit zur WKP?
Antwort: Die WKP ist ein Kernelement für sicheren, genehmigungskonformen Betrieb. Wer sie strukturiert vorbereitet – mit vollständiger Dokumentation, qualifizierten unabhängigen Sachverständigen, individuellem Prüfplan und konsequenter Maßnahmenumsetzung – reduziert Sicherheitsrisiken und minimiert ungeplante Stillstände deutlich.