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Interview: „Weiterbetrieb sicher gestalten – so läuft die BPW bei ENERTRAG Betrieb“

21.11.2025

Windenergieanlagen sind auf 20 Jahre ausgelegt. Doch viele Anlagen können deutlich länger zuverlässig Strom liefern – wenn ihre Sicherheit und Restlebensdauer sauber nachgewiesen werden. Wie das funktioniert, erklärt Jörg-Rasmus Otto, Leiter der Inspektionsstelle der ENERTRAG Betrieb GmbH.

Frage: Herr Otto, was genau macht die Inspektionsstelle der ENERTRAG Betrieb GmbH?
Antwort: Wir führen Inspektionen an Windenergieanlagen (WEA) durch – vom Fundament bis zum Rotorblatt. Ein Schwerpunkt ist die Praktische Prüfung zum Weiterbetrieb, kurz BPW. Sie ist der technische Teil der Weiterbetriebsprüfung, die Betreiber brauchen, wenn eine Anlage über ihre Entwurfslebensdauer hinaus laufen soll.

Frage: Auf welcher Grundlage basiert Ihre praktische Prüfung zum Weiterbetrieb?
Antwort: Unser Hausverfahren orientiert sich an der DNVGL-ST-0262 „Weiterbetrieb von Windenergieanlagen“, Ausgabe März 2026. Die Anforderungen – vor allem die Liste aus Anhang B – sind in unserer Inspektions-App abgebildet. So stellen wir sicher, dass keine Prüfpunkte verloren gehen und das Vorgehen standardisiert bleibt.

Frage: Warum ist eine BPW nach 20 Jahren überhaupt notwendig?
Antwort: Die meisten WEA sind konstruktiv auf 20 Jahre Entwurfslebensdauer ausgelegt. Wenn diese Zeit erreicht ist, reicht das „Bauchgefühl“ nicht mehr. Man muss prüfen, ob die Anlage unter den aktuellen und zukünftigen Bedingungen weiterhin sicher betrieben werden kann. Das ist wie beim Auto: Nach vielen Jahren braucht es nicht nur eine Sichtprüfung, sondern auch Messwerte und Historie, um sicher weiterzufahren.

Frage: Wann sollten Betreiber eine Weiterbetriebsprüfung einplanen?
Antwort: Am besten ein bis zwei Jahre vor Ablauf der Entwurfslebensdauer. Dann bleibt genug Zeit für Auswertungen, eventuelle Nachrüstungen oder Monitoring. Gleichzeitig hat der Betreiber früh Klarheit über die Restlebensdauer und kann einen belastbaren Finanz- und Betriebsplan aufstellen.

Frage: Die Weiterbetriebsprüfung besteht aus zwei Teilen. Wie ist das organisiert?
Antwort: Genau. Es gibt den analytischen Teil und den praktischen Teil.

  • Den praktischen Teil führen wir als akkreditiertes Verfahren durch – als Inspektionsstelle Typ C.
  • Den analytischen Teil bieten wir gemeinsam mit UL Solutions an. Das ist bewusst getrennt und gleichzeitig eng verzahnt: Praxis und Analyse ergänzen sich.

Frage: Was ist das Ziel der Weiterbetriebsprüfung?
Antwort: Kurz gesagt: Sicherheitsnachweis und Restlebensdauer. Wir prüfen, ob die Anlage standsicher ist und ob Tragstrukturen Abweichungen zeigen, die den Weiterbetrieb einschränken. Der analytische Teil betrachtet dabei standortspezifische Lasten jeder einzelnen WEA im Windfeld, inklusive der gesamten Windpark-Konstellation in einem generischen Anlagenmodell.

Frage: Was sollten Betreiber im Vorfeld besonders beachten?
Antwort: Es gibt vier zentrale Punkte:

  1. Rechtzeitig beauftragen – also nicht erst im 20. Jahr starten.
  2. Vollständige technische Dokumentation bereitstellen: Wartungsnachweise, Reparaturen, Großkomponententausch, Verfügbarkeiten.
  3. Betriebsdaten über den Lebenslauf liefern: idealerweise Windgeschwindigkeit und Leistung als 10-Minuten-Daten, plus Infos zu Zu- und Rückbau im Windfeld.
  4. Auflagen aus vergangenen WKPs umsetzen. Wenn alte Maßnahmen offen sind, beeinflusst das die Bewertung.

Frage: Welche Unterlagen brauchen Sie konkret für die Prüfung?
Antwort: Typischerweise braucht man folgende Unterlagen:

  • Genehmigungen & frühere Prüfberichte
  • Inbetriebnahme-Unterlagen
  • Betriebs- und Ertragsdaten / SCADA
  • Lebenslaufakte & Wartungshistorie
  • Berichte aus WKP oder technischen Prüfungen
    Je besser die Datenlage, desto präziser und schneller können wir bewerten.

Frage: Was passiert im analytischen Teil?
Antwort: Dort wird die Restlebensdauer rechnerisch bewertet, u. a. basierend auf:

  • Wind- und Turbulenzverhältnissen am Standort
  • Betriebs- und Stillstandsdaten
  • Komponententausch oder Reparaturen
  • Parametrierungen und Betriebsarten
    Am Ende stehen eine berechnete Restbetriebsdauer und – falls nötig – Auflagen.

Frage: Und wie läuft der praktische Teil ab?
Antwort: Wir inspizieren alle sicherheitsrelevanten, lastabtragenden Bereiche, insbesondere:

  • Fundament (Stahlbeton)
  • Turm (Stahl oder Hybrid)
  • Tragstrukturen im Maschinenhaus
  • Rotorblätter innen und außen
  • Blitzschutzsystem
  • Sicherheits- und Steuerungssystem

Man kann sich das wie einen gründlichen „Gesundheits-Check“ der Anlage vorstellen: Wir prüfen nicht nur sichtbare Schäden, sondern auch typische Alterungs- und Ermüdungsmuster.

Frage: Welche Rolle spielen bekannte Schwachstellen bestimmter Anlagentypen?
Antwort: Eine sehr große. Bekannte Schwachstellen eines konkreten Typs oder einer Serie müssen verpflichtend einbezogen werden. Finden wir systemische Auffälligkeiten, kann der Prüfumfang erweitert oder zusätzliches Monitoring angeordnet werden. Das ist wichtig, damit aus Einzelfunden keine Sicherheitsrisiken für den gesamten Park werden.

Frage: Was enthält der Prüfbericht am Ende?
Antwort: Der Bericht liefert eine klare Entscheidungsgrundlage:

  • Restnutzungsdauer aller lastabtragenden Komponenten
  • Limitierende Komponenten (also die „schwächste Stelle“, die die Dauer bestimmt)
  • Empfohlene Maßnahmen wie Reparaturen oder Ertüchtigungen
  • Prüffristen und Monitoring-Vorgaben
    Die Restnutzungsdauer richtet sich immer nach der limitierenden Komponente. Durch Upgrades, Monitoring oder Austausch kann man die Gesamtnutzungsdauer in vielen Fällen verlängern.

Frage: Was beeinflusst die mögliche Weiterbetriebsdauer am stärksten?
Antwort: Vor allem:

  • Standortlasten und Turbulenzen
  • Betriebs- und Wartungshistorie
  • Qualität der Komponenten
  • Reparaturen & technische Upgrades
  • Parkkonfiguration
    Zwei Anlagen gleichen Typs können also am Ende sehr unterschiedliche Restlebensdauern haben – je nach Betrieb und Standort.

Frage: Welche Vorteile bringt die BPW für Betreiber?
Antwort: Sie schafft Sicherheit und Planungssicherheit:

  • Sicherer Weiterbetrieb nach 20 Jahren
  • Verlängerte Ertragsphase statt vorzeitigem Rückbau
  • Klare Planbarkeit des Rückbaus
  • Grundlage für Strategien wie Weiterbetrieb, Repowering oder Ersatz
    Im Kern hilft die BPW, wirtschaftliche Chancen zu nutzen, ohne Kompromisse bei der Sicherheit zu machen.

Frage: Ihr Fazit in einem Satz?
Antwort: Die Weiterbetriebsprüfung ist der zentrale Nachweis für einen sicheren Weiterbetrieb nach 20 Jahren. Mit unserem integrierten Paket aus akkreditierter Praxisprüfung plus analytischer Bewertung mit UL Solutions bekommen Betreiber eine belastbare, ganzheitliche Entscheidungsgrundlage.