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„Die große Rückbau-Welle steht uns erst noch bevor“

18.11.2016

Wie künftig umgehen mit tausenden ausgedienten Windkraftanlagen?

Alle Augen sind auf den Ausbau der Windenergie in Deutschland gerichtet. Allein im ersten Halbjahr 2016 fand nach Angaben des Bundesverbands Windenergie ein Onshore-Zubau von 579 Windenergieanlagen statt und ihre Gesamtzahl liegt 2017 bei 27.000 Stück. Doch wie verhält es sich eigentlich mit dem Rückbau? Während der Windenergie-Zuwachs ganz im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, beschäftigen sich die Wissenschaftler am Institut für Integrierte Produktion Hannover, kurz IPH, mit der großen Rückbauwelle, die ins Haus steht. Denn natürlich braucht es eine effiziente, schnelle und vor allem umweltfreundliche Lösung für die Demontage, Entsorgung und das Recycling einer großen Anzahl ausgedienter, groß dimensionierter Anlagen. Im Austausch mit vielen verschiedenen Unternehmen aus dem Bereich Windenergie – darunter auch wind-turbine.com – sollen im Rahmen eines Projekts vielversprechende Antworten und Wege dazu gefunden werden.
 

Die Situation ist noch überschaubar

Der Rückbau einer Anlage ist im Rahmen eines Windkraftvorhabens zwar bereits eingepreist und vom Betreiber zurückgestellt, doch es bleibt aufwändiges Unterfangen – sowohl zeitlich als auch finanziell. Der größte Teil des bis zu vier Wochen dauernden und zwischen 20.000 und 30.000 Euro teuren Windkraftanlagen-Demontage erfolgt in der Regel am Standort, die einzelnen Bestandteile lassen sich gut verwerten: Metalle wie Stahl und Kupfer gelangen zurück in den Recycling-Kreislauf, das in Synchrongeneratoren enthaltene Neodym wird von Recycling-Fachbetrieben angekauft und verwertet, das zerkleinerte Betonmaterial der vor Ort gesprengten beziehungsweise zersägten Türme findet Verwendung im Straßenbau und die Rotorblätter werden in geschredderter Form als Downcycling-, häufiger als Brennmaterial in der Zementproduktion genutzt. So sieht die derzeit gängige Demontage-Strategie aus –  in Zeiten, an denen wie 2015 gerade einmal 250 Windkraftanlagen pro Jahr abgebaut werden müssen.
 
„Die große Rückbau-Welle steht uns erst noch bevor, sie kommt in etwa zehn Jahren“, erklärt Martin Westbomke, Projektingenieur am Institut für Integrierte Produktion Hannover. Dass die jetzige Vorgehensweise an ihre Grenzen stoßen wird, ist sicher. Denn im Laufe der nächsten Jahre werden Tausende Windanlagen ihre technische und wirtschaftliche Lebensdauer erreicht haben. Standardisierte Verfahren für die Zukunft in puncto kosteneffizienter Demontage gibt es noch nicht. Deshalb arbeitet das IPH gemeinsam mit anderen Firmen aus dem Windenergiebereich an einer Lösung für diese Herausforderung. Neben Betreibern von Windenergieanlagen und Windparks über Logistik- und Recyclingunternehmen beteiligt sich auch wind-turbine.com als internationale Online-Branchenplattform mit seinem Know-how am IPH-Projekt „Entwicklung eines Wirkmodells für eine effiziente Gestaltung von Demontagenetzwerken für XXL-Produkte, kurz DemoNetXXL.
 

Hindernisse verstehen - Lösungen erarbeiten

Der Wissensaustausch helfe vor allem dabei, die Abläufe, Eindrücke und Sichtweisen der Marktteilnehmer kennenzulernen und besser zu verstehen – derer, die damit Tag für Tag zu tun haben, so wind-turbine.com-Gründer und -Geschäftsführer Bernd Weidmann. „Nur so können wir als Windenergie-Plattform letztendlich sowohl die Anforderungen und Bedürfnisse bedienen, die beim Thema Rückbau entstehen, als auch eine Lösung dafür anbieten“. Noch erlaubt es das Rückbau-Aufkommen, mit Spezialmaschinen am Standort der betagten Windkraftanlagen anzurücken und diese unmittelbar dort zu zerlegen. Das macht die Prozedur keineswegs leichter. Stichwort: Glasfaserstaub. 
 
Die Faserverbundstoffe, aus denen die Rotorblätter bestehen können nicht ohne den Einsatz von speziellen Filteranlagen in den Schredderanlagen zerkleinert werden. Sie verhindern, dass sich Glasfaserstaub in der Umgebung verbreitet. Sobald die laut Westbohmke sicher kommende, große Rückbauwelle anrollt, sind effizientere und umweltverträglichere Lösungen gefragt. Nach Ansicht der IPH-Forscher könnten sogenannte Demontagenetzwerke der Schlüssel hierfür sein. Hier käme nicht die Infrastruktur zum Windrad, sondern gewissermaßen umgekehrt: Die Windkraftanlage würde vor Ort nur noch grob zerlegt und ihre Einzelteile in sogenannte Demontagenetzwerke verbracht.
 
IPH Arbeitstreffen 
Ab hier würde dann die eigentliche Entsorgung beginnen: Die Zerlegung der elektronischen Komponenten, die Zerkleinerung der Betonteile sowie das Schreddern der Rotorblätter. Noch muss diese neue Rückbaustrategie des IPH gründlich ausgearbeitet werden, denn zu den Bedingungen und Voraussetzungen stellen sich einige Fragen. Zum Beispiel, bis zu welchem Grad die Windkraftanlagen am Standort zerlegt werden können oder müssen, wie viel Arbeit im Demontagezentrum folgt aber auch natürlich finanzielle und logistische Fragen. Denn das, was vor Ort an Demontage gespart wird, schlägt sich in den Kosten für den Schwerlasttransport in die Fabrik. Gleichzeitig müssen allerdings weniger Spezialmaschinen eingesetzt werden. Die Forscher des IPH suchen in ihrem DemoNetXXL-Projekt also noch nach einer günstigen Balance sowie nach dem idealen Ort, an dem die Demontagezentren erbaut werden sollen. 
 
Fazit: Auch wenn die Themen Rückbau, Entsorgung und Recycling noch nicht allzu sehr im Mittelpunkt stehen, so ist es längst Zeit, die Herausforderungen der kommenden Jahre ins Auge zu fassen und gemeinsam vielversprechende Lösungen dafür auszuarbeiten. Klar im Vordergrund stehen dabei: Niedrige Kosten, hohe Effizienz und bestmögliche Umweltverträglichkeit. Als internationales Windkraftportal ist wind-turbine.com besonders daran interessiert, auch in dieser Frage ein Ansprechpartner für alle Bereiche der Branche zu sein und an der Zukunft aktiv mitzuarbeiten.