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Naturschutz und Windkraft: Vereinbarkeit mit Wenn und Aber

22.04.2016

Die Beschränkung der globalen Klimaerwärmung und die Einhaltung der Klimaziele ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Um die Energiewende zu schaffen, kommt der Windkraft als sauberer und vergleichsweise wirtschaftlicher Energiequelle eine zentrale Rolle zu. Jedoch kommt nicht nur von Seiten engagierter Naturschützer die Sorge und Kritik, Windkraftanlagen würden die Natur zerstören und ein allzu tödliches Risiko für gefährdete Vogel- und Fledermausarten darstellen. Wie vereinbar sind Windkraftanlagen und Naturschutz wirklich? Welche Regelungen und Möglichkeiten bieten sich, dem befürchteten „Wildwuchs“ Einhalt zu gebieten und den Zubau in der Windkraft so zu planen und umzusetzen, dass die Natur unter den unvermeidbaren Eingriffen so wenig wie möglich leidet? Mit diesen Fragen setzt sich der folgende Artikel auseinander.

Jedem Eingriff folgt ein Ausgleich

Bei allen Vorteilen, die der Ausbau der erneuerbaren Energien für das Weltklima bedeutet, steht eines trotzdem fest: Der Bau jedes einzelnen Windrades bedeutet einen massiven Eingriff in die Landschaft und Natur. Jedoch ist es keineswegs so, dass die Flächen oder Bäume unwiederbringlich verloren gehen: Vom Gesetz wird für jedes erbaute Windrad eine Ausgleichsmaßnahme gefordert. Während die Eingriffe in die Natur durch sogenannte Kompensationsmaßnahmen ausgeglichen werden sollen, wird für Eingriffe in das Landschaftsbild ein finanzieller Ausgleich in Form einer Ersatzzahlung fällig, da Höhen über 20 m als nicht kompensierbar gelten.

Es gibt unterschiedliche Gesetze, die bei der Bestimmung von Ausgleichsmaßnahmen eine Rolle spielen. Bei der Beantwortung der Frage, wo die Kompensationsmaßnahmen durchgeführt werden sollen, sind landschaftsplanerische Bestimmungen relevant: So können Gemeinden Vorrangflächen und Kompensationsflächen für bauliche Eingriffe schon früh bestimmen. Bei der Bestimmung dieser Flächen haben die Öffentlichkeit und Naturschutzverbände die Gelegenheit, sich und ihr Know-how einzubringen. Bei der Frage, welche Maßnahmen als Kompensationsmaßnahmen geeignet sind, kommen Gesetze auf Landesebene zum Einsatz. Für das Land Hessen sind die involvierten Gesetze beispielsweise die folgenden: HAGBNatSchG (Hessisches Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz), HENatG (Hessisches Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege) und KV, HE (Verordnung über die Durchführung von Kompensationsmaßnahmen, Ökokonten, deren Handelbarkeit und die Festsetzung von Ausgleichsabgaben).

Aktuell sind Kompensationsmaßnahmen für Eingriffe in die Natur und Ersatzzahlungen für Eingriffe in das Landschaftsbild beim Bau von Windkraftanlagen in der Regel auf Landesebene geregelt – Es gibt aber schon seit 2013 Bestrebungen, dies bundesweit zu vereinheitlichen, beispielsweise durch die Bundeskompensationsverordnung (BKV). Aktuell fehlt der BKV noch die Zustimmung durch den Bundesrat. Tritt die BKV in Kraft, werden gerade die Ersatzzahlungen für Windparkbetreiber planbarer, wohingegen diese zurzeit je nach Bundesland sehr stark variieren.

Rotmilan

Da natürlich bei weitem nicht alle Windparkbetreiber über die nötige Expertise verfügen, um geeignete Kompensationsmaßnahmen zu planen, zu organisieren und durchzuführen, findet oft eine Kooperation mit Agenturen statt, die die Kompensationsflächen vor Ort verwalten und Werteinheiten vermitteln, die die Windparkbetreiber sozusagen wie Punkte gegen Zahlung von Geld erwerben können. Somit wird gewährleistet, dass die Kompensationsmaßnahmen von Profis mit der nötigen Erfahrung und einem geeigneten lokalen Netzwerk durchgeführt werden. Grundsätzlich werden Windkraftanlagen dabei behandelt wie andere bauliche Eingriffe in die Natur auch. Einer der wichtigsten Grundsätze beim Ausgleich von Eingriffen in die Natur ist, dass die Kompensation nicht nur eine Erhaltung des vormaligen Zustands sein darf, sondern auf jeden Fall eine ökologische Aufwertung darstellen muss. Verstößt ein Windkraftprojekt gegen die Auflagen der Gesetze, können die Behörden das Projekt sofort stoppen und ggf. sogar den Rückbau verlangen.

Bei der Entscheidung, welche Ausgleichsmaßnahme für den jeweiligen Einzelfall geeignet ist, kommt es auf eine gute Zusammenarbeit der zukünftigen Windparkbetreiber mit den lokalen Naturschutzbehörden an, die die Lebensräume und Tierarten vor Ort am besten kennen. Gesetzlich ist festgelegt, dass die Ausgleichsmaßnahmen in der engeren Umgebung stattfinden müssen, um auch den lokalen Eingriff besser auszugleichen. Als ausgeglichen wird ein Eingriff angesehen, wenn die beeinträchtigten Funktionen der Natur gleichwertig oder zumindest so gleichartig wie möglich wieder hergestellt sind. Auch die Abstandsregeln zu Habitat- und Futtergebieten sensibler Vogelarten wie Rotmilan und Schwarzstorch können dank des „Helgoländer Papiers“, einer von den deutschen Landesvogelschutzwarten aufgrund von jahrelangen Beobachtungen und Erhebungen entwickelten Richtlinie, inzwischen bei den Planungen sehr gut mit einbezogen werden.

Ebenso wie Vorkommen sensibler Vogelarten sind auch Fledermaus-Vorkommen beispielsweise der Mopsfledermaus schon öfter zum Kriterium für den Ausschluss oder die Umplanung von Windkraft-Vorhaben geworden. Bei der Regelung von Kompensationsmaßnahmen wird in der Regel sehr genau darauf geachtet, was verloren geht und wie es ersetzt werden kann: So ist beispielsweise der Ausgleich von Bäumen in hessischen Gesetzen je nach Baumart individuell geregelt. Als Kompensationsmaßnahmen kommen z. B. die Renaturierung von Flussgebieten, das Anheben des Wasserstandes auf Feuchtwiesen, die Beseitigung von Hindernissen für die Tierwanderung, Ersatzaufforstungen oder Verbesserungen im Lebensraum bedrohter Arten infrage. So ist es durchaus möglich, dass durch die als Ausgleich für einen Windpark fällige Kompensation andere Naturschutzvorhaben effektiv unterstützt werden können. Auch die für den Eingriff in das Landschaftsbild fällige Ausgleichszahlung muss zweckgebunden, also für den Naturschutz eingesetzt werden.

Auf den Windpark bezogene Anpassungen zum Schutz von Tieren 

Neben den gesetzlich regelten Kompensationsmaßnahmen, die der Wiederherstellung und Verbesserung von beeinträchtigten Funktionen der Natur dienen, fördern auch auf den Windpark selbst oder auf Einzelanlagen bezogene Anpassungen den Schutz von Tieren und können so z. B. die Schlagzahl bestimmter Vogelarten verringern helfen.

Um den Rotmilan davon abzuhalten, den Fuß von Windkraftanlagen als attraktives Jagdgebiet in den Blick zu nehmen, wird beispielsweise auf eine hohe Bepflanzung in der näheren Umgebung geachtet. Eine weitere Maßnahme des Vogelschutzes ist die Abschreckung mit akustischen Signalen, sobald eine gefährdete Art von einem Sensor- oder Radarsystem erkannt wurde. Gleichermaßen dem Vogel- wie auch dem Fledermausschutz dienen Abschaltungen der Anlagen während der Hauptflugzeiten oder in Zeiten des Hauptvogelzugs. Die Zeiten für diese Abschaltungen können pauschal vorgenommen werden anhand von klimatischen Faktoren oder individuell.

Einem individiuellen Algorithmus zur Abschaltung gehen Erhebungen zum Verhalten der jeweiligen Art im Gebiet des Windparks voraus, die im ersten Jahr des Betriebs stattfinden. Im zweiten Jahr können die Betriebszeiten dann entsprechend den Untersuchungsergebnissen angepasst werden. Eine Abschaltung der Anlagen kann auch spontan erfolgen, nachdem eine sensible Vogelart von Radar- und Kamerasystem erkannt wurde. Auch Anpassungen bei der geplanten Zahl der Anlagen oder Veränderungen in der Ausrichtung verringern negative Auswirkungen auf Vögel und Fledermäuse. Unter den baulichen Vorkehrungen können der Verzicht auf Gittermasten, Vergitterungen der Gondel oder Bürstenanbringungen helfen, das Verletzungsrisiko für die Tiere zu verringern.

Bevor solcherlei bauliche Anpassungen zum Thema werden, ist für alle Projekte natürlich zu allererst eine sorgfältige Standortwahl entscheidend, um bedrohte Tierarten möglichst wenig einzuschränken und den langfristigen Schutz des Klimas nicht mit Gefährdungen von Beständen zu erkaufen, für die Deutschland wie im Fall des Rotmilans eine echte Verantwortung trägt. Dank heutiger wissenschaftlicher Erkenntnisse und neuer Studien gibt es in Bezug auf die Auswirkungen, die Windkraftanlagen auf die Natur und Tiere haben, mehr Planungssicherheit, sodass informiertere Entscheidungen getroffen und Fehler aus der Anfangszeit der Windenergie besser vermieden werden können. Um solche Fehler abzumildern, bietet gerade das Repowering älterer Anlagen durch effektivere neue gewisse Chancen.

Repowering und Naturschutz

Die Windenergie ist der Spitzenreiter der erneuerbaren Energieerzeugung in Deutschland. Die 30.000er-Marke ist im Visier, was die Anzahl der installierten Windenergieanlagen betrifft und Stand Ende 2015 liegt die installierte Leistung der 25.982 Windenergieanlagen bei rund 41,65 Gigawatt. Es gibt noch viel Luft nach oben, zumindest in der Theorie. Einer Potenzialstudie des Umweltbundesamts zufolge ließe sich demnach 13,8 Prozent der Landesfläche für Windenergieanlagen nutzen – ohne, dass Schutzgebiete oder Lärmschutzbestimmungen beeinträchtigt würden.

In der Studie wurde der Potenzialberechnung ein Abstand von 600 Metern zu Wohnbauflächen zugrunde gelegt. Betrachtet man den Einfluss eines steigenden Abstands zu Wohnbauflächen als einschränkenden Faktor, fällt das realisierbare Flächenpotenzial noch einmal deutlich geringer aus: Bei einem Abstand von 800 Metern sinkt das Flächenpotenzial auf 9,1 Prozent. Bei einem Abstand von 1.200 Metern sind es gar nur noch 3,4 Prozent. Bei einer Annahme von 2.000 Metern verbliebe mit 0,4 Prozent nur noch ein Bruchteil des nutzbaren Potenzials. Kurzum: Das Flächenangebot in Deutschland ist begrenzt und so gewinnt die Rolle des Repowerings noch mehr an Bedeutung, nicht zuletzt auch aus Sicht des Naturschutzes: Ältere, heute noch am Netz befindliche Windkraftanlagen, die seinerzeit außerhalb der Vorrang- und Eignungsgebiete gebaut wurden, fallen in der Hinsicht nämlich schon einmal aus dem Raster. Hier kommt allenfalls ein Weiterbetrieb an ihren Standorten über ihre Entwurfslebensdauer hinaus infrage. Spätestens nach dem Ende Ihrer Betriebszeit dürfen hier keine weiteren Anlagen mehr gebaut werden.

Im Vorfeld einer Repowering-Maßnahme besteht jedoch die Möglichkeit, die zahlreichen Kriterien in puncto Naturschutz und Landschaftspflege im gesamten Planungsraum erneut unter die Lupe zu nehmen – das macht vor allem dann Sinn, wenn neue Erkenntnisse gewonnen wurden und auf diese Weise vergangene Fehlentscheidungen korrigiert werden können. An bewährten Standorten lösen beim Repowering moderne, leistungsstärkere und zugleich leiser laufende Windkraftanlagen ältere, ausgediente Modelle ab. Durch die oftmals größere Bauhöhe neuer Anlagen kann allerdings auch das Kollisionsrisiko für Vogel- und Fledermausarten zunehmen.

Eine solche Gefährdung ließe sich verringern, indem man sich beim Repowering nicht an der bisherigen Anlagenzahl, sondern an der Gesamtleistung des Windparks orientiert. So werden einerseits keine Abstriche in der Windleistung gemacht, andererseits entlastet man die Landschaft und kompensiert das Kollisionsrisiko. Stellt sich hingegen heraus, dass weiterhin Lebensräume trotz weniger Anlagen und einer befristeten Abschaltung gefährdet würden, sollte man die Windenergienutzung an diesen Standorten jedoch überdenken und diese durch besser geeignete ersetzen. Diese Position wird auch vom NABU in einer Publikation zum Thema Windenergie und Naturschutz unterstützt. Darin fordert dieser außerdem die konsequente Nutzung neuer Forschungsergebnisse zur weiteren Verringerung bestehender Risiken und Konfliktpotenziale zwischen Windenergienutzung und Naturschutz.

Dem Naturschutz die gebotene Aufmerksamkeit widmen

Die strengen gesetzlichen Vorschriften und die aktive Zusammenarbeit von Naturschutzbehörden und –verbänden mit Windkraftplanern helfen, die Gefährdung für Vögel und Fledermäuse zu verringern und Eingriffe in die Natur so effektiv wie möglich zu kompensieren. Bei der Korrektur von Fehlern der Anfangszeit spielt gerade das Repowering älterer Anlagen durch ausgereiftere Modelle eine wichtige Rolle.

Mit der Zeit werden sich die Erkenntnisse über die Auswirkungen auf Natur und Tiere weiter vermehren, sodass die Frage nach der Vereinbarkeit von Windkraft und Naturschutz keine schwarz-weiß-Antwort verlangt. Die Windkraft kann weiter ausgebaut werden, ohne dies durch bestandsgefährdende Einschränkungen für Natur und Tiere erkaufen zu müssen. Denn natürlich heißt Klimaschutz nicht nur, das Aussterben des Rotmilans in Deutschland langfristig zu verhindern, sondern auch dafür zu sorgen, dass der Bestand auch kurzfristig gar nicht erst an den Rand des Aussterbens gerät. Auch wenn die Zahlen über die tatsächlichen Opfer, die durch Windkraftanlagen ums Leben kamen, weit auseinandergehen, ist es allemal zu bevorzugen, diese Verluste gar nicht erst eintreten zu lassen als in Zukunft unter enormem Aufwand geschädigte Bestände wieder aufbauen zu müssen.

Es gibt kein Patentrezept, das sich auf alle Fragen der Balance zwischen Windkraftnutzung und Naturschutz anwenden ließe. Auf den Einzelfall kommt es an und die Umstände jedes Windkraftprojekts müssen individuell bewertet werden, um nachvollziehbare Bedenken auszuräumen und Konflikte zu vermeiden. Nur auf diese Weise erhält der Natur- und Artenschutz auch die gebotene Aufmerksamkeit.