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„Nur zwei Dinge auf dieser Welt sind sicher: Der Tod und die Steuer.“ sagte einst Benjamin Franklin. Würde der amerikanische Staatsmann heute noch leben und das aktuelle Zeitgeschehen verfolgen, hätte er seinen Satz sicherlich noch um eine dritte Komponente ergänzt: Den Rundfunkbeitrag. Es gibt neuen Wirbel um Deutschlands verhassteste, trotz Umbenennung noch immer abschätzig „GEZ-Gebühr“ genannte Abgabe. Der ARD ZDF Deutschlandfunk Beitragsservice hat nämlich seit noch nicht allzu langer Zeit Windenergieanlagen als Einnahmequelle im Visier und bittet zur Kasse. Zahlen sollen allerdings nicht etwa die Betreiber, sondern – wenn auch über Umwege – der Endverbraucher.
Es gibt vermutlich kaum jemanden, der nicht bereits einmal einen dieser unpopulären Schreiben mit Kölner Absenderadresse im Briefkasten hatte. „ARD ZDF Deutschlandfunk Beitragsservice“ steht seit der Umbenennung auf dem Umschlag. Das klingt zwar nicht mehr so latent bedrohlich nach Behörde wie „GEZ“, doch die Zeilen an die Empfänger sprechen eine deutliche, wenn nicht sogar passiv-aggressive Sprache. Seit dem 1. Januar 2013, so heißt es darin, habe gefälligst jeder Haushalt einen geräteunabhängigen Rundfunkbeitrag zu zahlen. Das bedeutet für rund 40 Millionen Privathaushalte in Deutschland: Ein Beitrag – in der Regel 17,50 Euro – ganz gleich, ob und wie viele TV-, Radio- oder internetfähige Empfangsgeräte sich darin befinden.
Gleiches gilt auch für sämtliche Institutionen in der Bundesrepublik, vom Kindergarten über Schulen und gemeinnützige Vereine bis hin zum Krankenhaus oder Hospiz. Bei Unternehmen berechnet sich die Beitragshöhe hingegen individuell anhand der Zahl der Betriebsstätten und Beschäftigten sowie der genutzten Kraftfahrzeuge. Die daraus erzielten Einnahmen summieren sich pro Jahr auf rund 8 Milliarden Euro. Das entspricht etwa dem Jahresumsatz der Drogeriekette Rossmann oder dem jährlichen Bruttoinlandsprodukt von Moldawien. Bald dürfte der Beitragsservice dank Digitalisierung und Energiewende eine neue Einnahmequelle anzapfen – doch warum sind es ausgerechnet Windenergieanlagen? Warum erst nach so vielen Jahren? Und vor allem: Was hat der Stromkunde damit zu tun?
Nun kann man dem Beitragsservice vieles vorwerfen aber gewiss keine Schlampigkeit beim Einfordern der fälligen Summe. Umso mehr erstaunt es, dass erst eine private Auseinandersetzung zwischen zwei Nachbarn in Norddeutschland nötig war, um die Mitarbeiter der öffentlich-rechtlichen Gemeinschaftseinrichtung auf den Plan zu rufen. Trotz der unfreiwilligen Komik des Nachbarschaftsstreits ist heute nur den wenigsten Stromkunden zum Lachen zumute. Vielleicht hätten die Kontrahenten aus der Provinz es gar nicht erst zur Eskalation kommen lassen, wenn ihnen die Tragweite des Streits bekannt gewesen wäre. wind-turbine.com hat beide persönlich getroffen, um mehr über die Hintergründe ihres folgenschweren Konflikts zu erfahren.
Den Stein ins Rollen brachte Siegfried Keller, 74 und ehemaliger GEZ-Mitarbeiter. Wir besuchten ihn an seinem Wohnort in Borstel-Hohenraden, einer 2.000-Seelen-Gemeinde im Landkreis Pinneberg, direkt im Hamburger Speckgürtel. Hier in der Quickborner Straße wirkt alles sehr geordnet. Typisch norddeutsch eben, ganz so wie das reetgedeckte Fachwerkhaus Kellers. Selbst die ovale Fußmatte vor dem Hauseingang des Pensionärs besitzt exakt die gleiche Farbe wie der Schilf des Daches seines Alterssitzes. Ein anscheinend selbstgemachtes Keramik-Türschild begrüßt mit „Herzlich Willkommen“ in geschwungenen Sütterlin-Lettern.
Ganz und gar nicht wortkarg zeigte sich der Ex-GEZler hingegen im Gespräch, als er von seiner beruflichen Vergangenheit bei der Gebühreneinzugszentrale erzählt. Keller war hier seit dem Ende seiner Buchhalterlehre als Kontenprüfer tätig. „Mit voller Leidenschaft, bis zu meiner Pensionierung vor 18 Jahren.“, wie er betont. Nostalgisch beschreibt Keller die heute undenkbaren Methoden und Gerätschaften, mit denen die GEZ seinerzeit säumige Zahler ausfindig machte. Es klingt nach einem Hauch James Bond im tristen Beamtenalltag: „Peilwagen, Richtantennen, Spezialmikrofone und was wir nicht alles hatten. Das darfste' aber heute ja alles gar nicht mehr machen, wegen Datenschutz.“
Tatsächlich brauchte Keller keinerlei Spezialequipment, um seinen einzigen Nachbarn und Windrad-Besitzer Alerich Brandt an seine alte Wirkungsstätte auszuliefern. „Ich wollte Heiligabend eigentlich nur gemütlich vor dem Fernseher verbringen. Draußen war es windig und von Mal zu Mal wurde aber das Bild immer schlechter.“, so Keller über die Störung, hinter der er einen Defekt an der gut 700 Meter entfernten Windenergieanlage seines Nachbarn Brandts vermutete. „Das war doch früher mit den Mofas genauso. Wenn man da den Zündkerzenstecker nicht ordentlich isoliert hat, war beim Vorbeifahren das Fernsehbild in der ganzen Umgebung weg. Ich bin zwar kein Mechaniker, aber warum soll das bei einem Windrad anders sein?“ Keller entschloss sich daraufhin, seinem Nachbarn zeitnah über das Bildproblem zu unterrichten. „Natürlich hab ich den Alerich sofort angerufen und ihn auf das Ganze mal zart angesprochen“.
Gegenüber wind-turbine.com schildert der 54-jährige Windmüller und alteingesessene Landwirt das Telefongespräch mit seinem Nachbarn ein wenig anders. Alerich Brandt betreibt seit über 15 Jahren eine Enercon E58/1000 auf seinem Grundstück. Ärger habe es mit der Nachbarschaft deswegen nie gegeben. Bis an besagtem Heiligabend: „Ich dachte, mich trifft der Schlag. Da rief mich der olle Gnadderbüddel* doch glatt zu Heiligabend noch spät um ungefähr 23 Uhr an, um mich rotzneesich anzumeckern, ich solle doch mal mein Windrad reparieren, weil sein Fernsehbild weg is’“. Die markant norddeutsche Färbung in Brandts Erzählton verstärkt sich mit zunehmender Aufregung über seinen Nachbarn. Um die Sache schließlich aus der Welt zu räumen, entschied sich Brandt dazu, ein kurzes Schreiben an Keller zu verfassen. Mit weitreichenden Folgen für den deutsche Stromkunden.
„Ich hab’ dem Siegfried erklären wollen, dass mit meiner Anlage alles in Ordnung ist und sie über so ein Condition Monitoring System verfügt. Das ist ein Frühwarnsystem, welches per Internetanbindung rund um die Uhr mit dem Wartungsdienst in Kontakt steht.“ Fast jede der über 27.000 Anlagen in Deutschland wird heute via Condition Monitoring technisch online überwacht, sodass im Falle eines Defekts schnell reagiert werden kann. Als ehemaliger GEZ-Mitarbeiter wurde Keller beim Stichwort Internetanbindung jedoch hellhörig: „Ein Zugang zum Internet macht doch den Empfang von beitragspflichtigen Inhalten möglich. Zum Beispiel, wenn sich ein Windrad-Mechaniker mit seinem Tablet, Smartphone oder sonstwas oben in der Gondel der Anlage aufhält und ins Netz einloggt. Mediatheken, YouTube – alles zugänglich.“
Gleichzeitig könne eine Windenergieanlage, so Keller, gewissermaßen auch als Arbeitsstätte betrachtet werden. Jede einzelne von ihnen. Dies sollte sich der ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice einmal selbst genau ansehen, weshalb er das Schreiben des Nachbarn schließlich an seinen ehemaligen langjährigen Arbeitgeber weiterleitete. Den Grund für das schlechte Fernsehbild konnte Keller übrigens kurz nach Neujahr ausfindig machen: „Das Antennenkabel hatte schon ein paar Jahre auf dem Buckel und weil es so vertüdelt hinter’m Fernseher lag, hat sich wohl ein Knick in der Leitung gebildet.“
Natürlich sorgte die Nachricht für großes Aufsehen und Freude in der Kölner Zentrale des Beitragsservice. Denn sie hatten anscheinend nicht nur Brandts Anlage vergessen abzukassieren, sondern auch alle übrigen 27.000 Windräder. Eine solch lukrative Gelegenheit lässt man sich hier jedenfalls nicht entgehen. Um wie viele nicht erfasste Windenergieanlagen handelt es sich also? Wie will man die ausstehenden Beträge nachträglich eintreiben? Wie setzt sich der Beitrag zusammen? Wie hoch sind die zusätzlichen Erlöse aus der neuen, bisher ungenutzten Einnahmequelle? Und natürlich: Wer zahlt die Rechnung? Mit all diesen Fragen hat sich wind-turbine.com an den Beitragsservice gewandt. Wir erhielten kurze Zeit später folgende Antwort per E-Mail (Auszug):
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Sehr geehrte wind-turbine.com-Redaktion,
dank des wertvollen Hinweises eines ehemaligen Mitarbeiters haben wir ein enormes Defizit aufdecken können. Eine endgültige Entscheidung darüber, wie künftig mit der hohen zusätzlichen Anzahl an beitragspflichtigen Arbeitsstätten umgegangen werden soll, werden wir voraussichtlich im Mai 2017 treffen. Sicher ist, dass der ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice alle erdenklichen Bemühungen dazu unternimmt, um sowohl die ausstehenden als auch künftige Forderungen so unbürokratisch und unkompliziert wie möglich und selbstverständlich in voller Höhe einzutreiben.
Gerne möchten wir auch Ihre Fragen nach aktuellem Stand der Dinge (29.März 2017) beantworten:
Wir gehen davon aus, dass etwa 95 Prozent aller in Deutschland installierten Windenergieanlagen über solch ein sogenanntes "Condition Monitoring System" zur technischen Zustandsüberwachung per Internetverbindung verfügen. Dies entspricht in etwa einer Gesamtzahl von rund 25.500 Anlagen, die bislang nicht vom Rundfunkbeitrag erfasst wurden.
Was die korrekte Abrechnung anbelangt, so gestaltet sich der Sachverhalt insgesamt komplizierter, als er zunächst scheint. Zum Vergleich: Einzelne Privathaushalte lassen sich bei der Zahlung des Rundfunkbeitrags mühelos erfassen, ist doch jeder zahlungspflichtige Adressat beim Einwohnermeldeamt als solcher vermerkt. Freilich anders sieht es mit den besagten 25.500 Windenergieanlagen aus, die, jede für sich als separate Arbeitsstätte anzusehen ist.
Hier liegt ein nahezu unüberschaubares Geflecht an privaten und kommunalen Betreibern, Investoren und Anlagenbesitzern vor. Rechtslage, Zahlungspflicht und Zuständigkeiten lassen sich hier nicht trennscharf, geschweige denn in wirtschaftlich vertretbarem Rahmen voneinander abgrenzen. Um es salopp zu formulieren: Um Ross und Reiter zu bestimmen, wäre ein administrativer und personeller Aufwand vonnöten, welcher in keinem Verhältnis mit den zu erwartenden Einnahmen stünde. Hinzu kommt noch die nicht exakt bestimmbare und doch berechnungsrelevante Zahl der Beschäftigten je Arbeitsstätte, die für das gegebene Szenario ein stark vereinfachtes Beitragsberechnungsmodell erforderlich macht. Der künftige Rundfunkbeitrag berechnet sich daher wie folgt:
25.500 WEA * EUR 20.– Basisbeitrag pro Monat * Beitragsfaktor 2,2 (pauschal festgelegt)
Dem Berechnungsmodell folgend ergibt sich ein künftiger Rundfunkbetrag von EUR 1.122.000.– monatlich bzw. EUR 13.464.000.– jährlich. Zahlbar ohne Abzug, jeweils zum Monatsersten. Die seit dem 1. Januar 2013 bis 1. Juni 2017 ausstehende Beitragssumme beläuft sich somit auf EUR 59.466.000.–.
Der ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice wird die offene Forderung mit höchster Wahrscheinlichkeit an die Bundesrepublik Deutschland richten. Zur Begründung: Windenergieanlagen werden in Deutschland zwar häufig von privaten Unternehmen betrieben, doch die Anlagen dienen letztendlich dem Gemeinwohl. Zudem werden sie im Rahmen des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) durch Einspeisevergütungen und sonstige staatliche Zuwendungen in erheblichem Maße durch den Bund subventioniert.
Diese Tatsache lässt schließlich die Auslegung zu, dass der deutsche Staat mit seiner programmatisch ausgerichteten Energiewende und dem damit verbundenen Ausbau der Windenergie als moralischer Hauptbetreiber aller auf Bundesgebiet installierten Windenergieanlagen letztlich auch den daraus resultierenden finanziellen Forderungen des ARD ZDF Deutschlandfunk Beitragsservice in vollem Umfang Rechnung zu tragen hat.
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Der Beitragsservice zeigt sich in seinem Schreiben erstaunlich flexibel und unbürokratisch bei der Berechnung der ausstehenden Beiträge. Zu Lasten seiner Effizienz geht die Berechnungsweise jedenfalls nicht, denn faktisch nennt er dem Bund lediglich eine Summe X – und wie diese beglichen wird, ist nicht mehr Sache des Beitragsservices. Den schwarzen Peter hält somit das Bundesumweltministerium in den Händen, und man scheut sich auch nicht davor, diesen erwartungsgemäß dem Stromkunden zuzuschieben.
Das zumindest ergab eine kurzfristig angesetzte Sitzung des Bundesumweltministeriums. „Alle Bürger profitieren von der Energiewende und diese wird maßgeblich von den vielen starken Schultern tausender Windenergieanlagen in Deutschland getragen.“ erklärte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks. Daher sei es nur fair, wenn diese Mehrbelastung durch den Beitragsservice per EEG-Umlage abgefedert wird. „Die EEG-Umlage liegt derzeit bei günstigen 6,88 Cent pro Kilowattstunde. Eine Erhöhung um zwei Cent ‚Medienabgabe‘ auf 8,88 Cent pro Kilowattstunde erachten wir als sinnvoll“, so Hendricks. Über eine genaue Zahl wolle man jedoch erst im April diskutieren.
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Auf allzu viel Begeisterung beim Endverbraucher dürfte das Bundesumweltministerium mit dieser Mehrbelastung vermutlich nicht stoßen, denn bereits der reguläre Rundfunkbeitrag ist vielen bereits ein genügend großer Dorn im Auge. Doch die geplante EEG-Medienabgabe hat auch etwas Gutes: Sie erinnert uns mit jeder verbrauchten Kilowattstunde daran, unsere nachbarschaftlichen Beziehungen zu hegen und zu pflegen.
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