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Mittelspannungskabel in Windparks – Grundlagen, Anforderungen und Praxishinweise

09.12.2025
Der Bau und Betrieb eines Windparks setzt eine Vielzahl technischer Komponenten voraus, die den erzeugten Strom sicher, zuverlässig und wirtschaftlich in das Netz transportieren. Eine der wichtigsten – und oft unterschätzten – Komponenten sind Mittelspannungskabel. Sie bilden das Rückgrat der internen Parkverkabelung und sorgen dafür, dass jede Windenergieanlage (WEA) ihren Strom verlustarm und sicher zum Umspannwerk bzw. Netzverknüpfungspunkt leitet.


Dieser Ratgeber erklärt verständlich:

 

1. Warum benötigt man Mittelspannungskabel in Windparks?

Jede Windenergieanlage erzeugt elektrische Energie auf Generatorlevel (typisch zwischen 400 V und 1.000 V). Diese wird über einen Transformator in der Anlage oder im Turm auf Mittelspannung (üblicherweise 20 kV oder 30 kV, seltener 10 kV oder 33 kV) hochtransformiert.

Der Grund für den Einsatz von Mittelspannung:

  • Geringere Übertragungsverluste: Höhere Spannung = geringere Ströme = weniger Wärmeverluste.
  • Wirtschaftliche Kabelquerschnitte: Bei Mittelspannung reichen kleinere Leiterquerschnitte aus als bei Niederspannung, was Kosten reduziert.
  • Netzkompatibilität: Netzverknüpfungspunkte der Verteilnetzbetreiber arbeiten meist im Mittelspannungsbereich.
  • Sichere und robuste Parkstruktur: Mittelspannungskabel sind für die geforderten Übertragungsleistungen ausgelegt und erhöhen die Betriebssicherheit.

Kurz: Ohne Mittelspannungskabel wäre die interne Verkabelung eines Windparks technisch nicht sinnvoll realisierbar.

 

2. Welche Funktionen übernehmen Mittelspannungskabel im Windpark?

Mittelspannungskabel haben im Windpark mehrere zentrale Aufgaben:

2.1 Stromübertragung von der WEA zum Parknetz

Sie verbinden:

  • WEA → Sammelkabelstrang
  • Sammelkabelstränge → Parkzentrale / Übergabestation
  • Übergabestation → Umspannwerk / Netzanschluss

2.2 Ring- oder Strangschaltung ermöglichen

Windparks werden in der Regel als:

  • Ringsystem (höhere Ausfallsicherheit) oder
  • Strangsystem (kostengünstiger)

verkabelt. Mittelspannungskabel müssen dafür geeignete Schalt- und Schutzkonzepte unterstützen.

2.3 Kommunikation und Steuerung

Viele Mittelspannungskabel enthalten integrierte Lichtwellenleiter (LWL) für:

  • Anlagenkommunikation
  • Netzleitstellenanbindung
  • Überwachung, Sicherung und Steuerung

2.4 Erdung und Potentialausgleich

Das Schirmgeflecht der Kabel übernimmt:

  • Ableitung von Fehlerströmen
  • Potentialsteuerung
  • Reduzierung elektromagnetischer Einflüsse

 

3. Typische Bauformen & Kabeltypen

Die gängigsten Mittelspannungskabel im Windpark sind:

3.1 Kabeltypen

  • N2XSY / NA2XSY
    Kupfer- bzw. Aluminiumleiter, XLPE-Isolierung, weit verbreitet im Windbereich (10–30 kV).
  • N2XSEY / NA2XSEY
    Mit Längs- und Querdichtheit – sinnvoll bei feuchten Böden.
  • Kabel mit LWL-Beiläufen
    Kombilösung für Energie + Daten.

3.2 Übliche Spannungsebenen

  • 20 kV (Standard in Deutschland)
  • 30 kV (wachsende Bedeutung bei großen Parks)
  • 33 kV (häufig bei internationalen Projekten)

3.3 Verlegearten

  • Direkte Erdverlegung
  • Verlegung im Schutzrohr
  • Kabeltrassen (selten, meist im Umspannwerkbereich)
  • Unterquerungen (Spülbohrverfahren, HDD)

 

4. Was müssen Planer und Projektierer beachten?

Hier beginnt der entscheidende Teil, denn Fehler in der Kabelplanung zählen zu den kostspieligsten Problemen im Windparkbau.

4.1 Last- und Verlustberechnung

Wesentliche Aspekte:

  • Kabelquerschnitt nach Stromtragfähigkeit
  • Temperaturabhängige Belastbarkeit
  • Häufung und parallel verlegte Stränge
  • Spannungshaltung und Spannungsfallrechnung

4.2 Topologieplanung (Ring vs. Strang)

Ringverkabelung:

  • Höhere Verfügbarkeit
  • Bei Kabelschäden bleibt der Park teils in Betrieb
    – Höherer Aufwand und höhere Kosten

Strangverkabelung:

  • Günstiger
    – Kabeldefekt legt ganzen Strang lahm

4.3 Boden- & Geologieanalysen

Der Boden beeinflusst:

  • Wärmeableitung
  • Verlegetiefe
  • Schutzmaßnahmen
  • Lebensdauer des Kabels
Steiniger Boden → Sandbettung, Schutzrohre
Feuchter Boden → längs- und querdichte Kabel sinnvoll


4.4 Mechanische Beanspruchung

Besonders kritisch:

  • Kurvenradien
  • Zugkräfte beim Verlegen
  • Schutz in Übergangsbereichen (z. B. Turmfuß)

4.5 EMV & Schirmkonzepte

Wichtig für:

  • Mess- und Leittechnik
  • Minimierung von Störeinflüssen
  • Erdungskonzepte im Parknetz

4.6 Genehmigungen und Normen

Planer müssen relevante Normen berücksichtigen, u. a.:

  • VDE 0276 (Mittelspannungskabel)
  • VDE 0100 / 0101 (Errichtung von Starkstromanlagen)
  • Technische Anschlussbedingungen (TAB) des Netzbetreibers
  • Baugenehmigungen für Trassen, Wege, Unterquerungen

 

5. Was müssen Betreiber im laufenden Betrieb beachten?

Nach der Inbetriebnahme beginnt die langfristige Aufgabe: sicherer Betrieb über 20–30 Jahre.

5.1 Regelmäßige Prüfungen und Messungen

Typische Prüfungen sind:

  • Teilentladungsmessungen
  • Mantelprüfungen
  • Isolationsmessungen
  • Thermografische Kontrollen der Muffen und Stationen

5.2 Überwachung kritischer Bereiche

Besondere Gefahrenzonen:

  • Muffenstellen
  • Übergänge am Turmfuß
  • Unterquerungen
  • Bereiche mit Bodenbewegungen oder landwirtschaftlicher Nutzung

5.3 Dokumentation & Trassennachverfolgung

Betreiber müssen wissen, wo jedes Kabel liegt. Wichtig für:

  • Reparaturen
  • Erdarbeiten
  • Störungsmanagement

Fehlende Dokumentation gehört zu den häufigsten Betriebsrisiken.

5.4 Typische Fehlerbilder

  • Mantelschäden durch Steine oder Zugkräfte
  • Muffendefekte (häufigste Ausfallursache)
  • Feuchtigkeitseintritt
  • Thermische Überlastung

5.5 Reparaturen & Kosten

Reparaturen von Mittelspannungskabeln sind aufwendig:

  • Lokalisierung per Fehlerortung
  • Freilegen der Trasse
  • Muffenmontage unter Spezialbedingungen

Kosten bewegen sich häufig im fünfstelligen Bereich pro Schadensfall.

 

6. Best Practices für Planung und Betrieb

Planung

  • Kabelquerschnitt großzügig auslegen (Reservekapazität).
  • Ringverkabelung, wenn hohe Verfügbarkeit entscheidend ist.
  • Hochwertige Muffen und geschulte Montagepartner einsetzen.
  • LWL immer mitverlegen – Kommunikation ist entscheidend.

Betrieb

  • Messungen regelmäßig durchführen.
  • Wartungsintervalle dokumentieren und einhalten.
  • Kabeltrasse klar markieren und in GIS-Systemen pflegen.
  • Besonders exponierte Bereiche verstärkt überwachen.

 

Fazit

Mittelspannungskabel sind ein zentrales Element jedes Windparks. Sie sorgen für die sichere, effiziente und zuverlässige Übertragung der erzeugten Energie und beeinflussen sowohl Bau- als auch Betriebskosten maßgeblich. Eine professionelle Planung, hochwertige Installation und sorgfältige Überwachung im Betrieb sind entscheidend für eine hohe Anlagenverfügbarkeit und einen störungsfreien Windparkbetrieb über Jahrzehnte.