Der Bau und Betrieb eines Windparks setzt eine Vielzahl technischer Komponenten voraus, die den erzeugten Strom sicher, zuverlässig und wirtschaftlich in das Netz transportieren. Eine der wichtigsten – und oft unterschätzten – Komponenten sind
Mittelspannungskabel. Sie bilden das Rückgrat der
internen Parkverkabelung und sorgen dafür, dass jede Windenergieanlage (WEA) ihren Strom verlustarm und sicher zum Umspannwerk bzw. Netzverknüpfungspunkt leitet.
Dieser Ratgeber erklärt verständlich:
Jede Windenergieanlage erzeugt elektrische Energie auf Generatorlevel (typisch zwischen 400 V und 1.000 V). Diese wird über einen Transformator in der Anlage oder im Turm auf Mittelspannung (üblicherweise 20 kV oder 30 kV, seltener 10 kV oder 33 kV) hochtransformiert.
Der Grund für den Einsatz von Mittelspannung:
- Geringere Übertragungsverluste: Höhere Spannung = geringere Ströme = weniger Wärmeverluste.
- Wirtschaftliche Kabelquerschnitte: Bei Mittelspannung reichen kleinere Leiterquerschnitte aus als bei Niederspannung, was Kosten reduziert.
- Netzkompatibilität: Netzverknüpfungspunkte der Verteilnetzbetreiber arbeiten meist im Mittelspannungsbereich.
- Sichere und robuste Parkstruktur: Mittelspannungskabel sind für die geforderten Übertragungsleistungen ausgelegt und erhöhen die Betriebssicherheit.
Kurz: Ohne Mittelspannungskabel wäre die interne Verkabelung eines Windparks technisch nicht sinnvoll realisierbar.
Mittelspannungskabel haben im Windpark mehrere zentrale Aufgaben:
2.1 Stromübertragung von der WEA zum Parknetz
Sie verbinden:
- WEA → Sammelkabelstrang
- Sammelkabelstränge → Parkzentrale / Übergabestation
- Übergabestation → Umspannwerk / Netzanschluss
2.2 Ring- oder Strangschaltung ermöglichen
Windparks werden in der Regel als:
- Ringsystem (höhere Ausfallsicherheit) oder
- Strangsystem (kostengünstiger)
verkabelt. Mittelspannungskabel müssen dafür geeignete Schalt- und Schutzkonzepte unterstützen.
2.3 Kommunikation und Steuerung
Viele Mittelspannungskabel enthalten integrierte Lichtwellenleiter (LWL) für:
- Anlagenkommunikation
- Netzleitstellenanbindung
- Überwachung, Sicherung und Steuerung
2.4 Erdung und Potentialausgleich
Das Schirmgeflecht der Kabel übernimmt:
- Ableitung von Fehlerströmen
- Potentialsteuerung
- Reduzierung elektromagnetischer Einflüsse
Die gängigsten Mittelspannungskabel im Windpark sind:
3.1 Kabeltypen
-
N2XSY / NA2XSY
Kupfer- bzw. Aluminiumleiter, XLPE-Isolierung, weit verbreitet im Windbereich (10–30 kV).
-
N2XSEY / NA2XSEY
Mit Längs- und Querdichtheit – sinnvoll bei feuchten Böden.
-
Kabel mit LWL-Beiläufen
Kombilösung für Energie + Daten.
3.2 Übliche Spannungsebenen
- 20 kV (Standard in Deutschland)
- 30 kV (wachsende Bedeutung bei großen Parks)
- 33 kV (häufig bei internationalen Projekten)
3.3 Verlegearten
- Direkte Erdverlegung
- Verlegung im Schutzrohr
- Kabeltrassen (selten, meist im Umspannwerkbereich)
- Unterquerungen (Spülbohrverfahren, HDD)

Hier beginnt der entscheidende Teil, denn Fehler in der Kabelplanung zählen zu den kostspieligsten Problemen im Windparkbau.
4.1 Last- und Verlustberechnung
Wesentliche Aspekte:
- Kabelquerschnitt nach Stromtragfähigkeit
- Temperaturabhängige Belastbarkeit
- Häufung und parallel verlegte Stränge
- Spannungshaltung und Spannungsfallrechnung
4.2 Topologieplanung (Ring vs. Strang)
Ringverkabelung:
Strangverkabelung:
4.3 Boden- & Geologieanalysen
Der Boden beeinflusst:
- Wärmeableitung
- Verlegetiefe
- Schutzmaßnahmen
- Lebensdauer des Kabels
Steiniger Boden → Sandbettung, Schutzrohre
Feuchter Boden → längs- und querdichte Kabel sinnvoll
4.4 Mechanische Beanspruchung
Besonders kritisch:
- Kurvenradien
- Zugkräfte beim Verlegen
- Schutz in Übergangsbereichen (z. B. Turmfuß)
4.5 EMV & Schirmkonzepte
Wichtig für:
- Mess- und Leittechnik
- Minimierung von Störeinflüssen
- Erdungskonzepte im Parknetz
4.6 Genehmigungen und Normen
Planer müssen relevante Normen berücksichtigen, u. a.:
- VDE 0276 (Mittelspannungskabel)
- VDE 0100 / 0101 (Errichtung von Starkstromanlagen)
- Technische Anschlussbedingungen (TAB) des Netzbetreibers
- Baugenehmigungen für Trassen, Wege, Unterquerungen
Nach der Inbetriebnahme beginnt die langfristige Aufgabe: sicherer Betrieb über 20–30 Jahre.
5.1 Regelmäßige Prüfungen und Messungen
Typische Prüfungen sind:
- Teilentladungsmessungen
- Mantelprüfungen
- Isolationsmessungen
- Thermografische Kontrollen der Muffen und Stationen
5.2 Überwachung kritischer Bereiche
Besondere Gefahrenzonen:
- Muffenstellen
- Übergänge am Turmfuß
- Unterquerungen
- Bereiche mit Bodenbewegungen oder landwirtschaftlicher Nutzung
5.3 Dokumentation & Trassennachverfolgung
Betreiber müssen wissen, wo jedes Kabel liegt. Wichtig für:
- Reparaturen
- Erdarbeiten
- Störungsmanagement
Fehlende Dokumentation gehört zu den häufigsten Betriebsrisiken.
5.4 Typische Fehlerbilder
- Mantelschäden durch Steine oder Zugkräfte
- Muffendefekte (häufigste Ausfallursache)
- Feuchtigkeitseintritt
- Thermische Überlastung
5.5 Reparaturen & Kosten
Reparaturen von Mittelspannungskabeln sind aufwendig:
- Lokalisierung per Fehlerortung
- Freilegen der Trasse
- Muffenmontage unter Spezialbedingungen
Kosten bewegen sich häufig im fünfstelligen Bereich pro Schadensfall.
Mittelspannungskabel sind ein zentrales Element jedes Windparks. Sie sorgen für die sichere, effiziente und zuverlässige Übertragung der erzeugten Energie und beeinflussen sowohl Bau- als auch Betriebskosten maßgeblich. Eine professionelle Planung, hochwertige Installation und sorgfältige Überwachung im Betrieb sind entscheidend für eine hohe Anlagenverfügbarkeit und einen störungsfreien Windparkbetrieb über Jahrzehnte.